Die beste Schule Deutschlands

Allgemein

Eine Gesamtschule aus Göttingen ist die beste Schule Deutschlands. stern.de verrät, was die Gewinnerin des Deutschen Schulpreises auszeichnet. Von Catrin Boldebuck

Bundespräsident Christian Wulff übergab am Freitag in der Berliner St. Elisabeth-Kirche den Deutschen Schulpreis. Die begehrte Trophäe ging in diesem Jahr an die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen. Zu dem bundesweiten Wettbewerb rufen jedes Jahr die Robert-Bosch-Stiftung und die Heidehof-Stiftung in Kooperation mit dem stern und der ARD auf.

Für den größten und mit 230.000 Euro höchst dotierten Schulpreis bewarben sich seit Beginn des Wettbewerbs vor fünf Jahren über tausend Schulen. In diesem Jahr waren es 119. Ziel ist es, gute Schulen zu finden, sie auszuzeichnen und zu Vorbildern zu machen. Damit alle anderen von ihnen lernen können. Bundespräsident Christian Wulff: "In den Schulen werden die Grundlagen für die Zukunft unseres Landes gelegt. Deshalb ist es so wichtig, dass exzellente Unterrichtskonzepte wie die der Preisträgerschulen Schule machen und von hervorragenden Lehrern umgesetzt werden."

1.Platz: Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule, Göttingen

Nicht nur beim Kriterium Leistung erhielt die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule, kurz IGS, die Bestnote A. Auch bei den übrigen fünf Kategorien des Deutschen Schulpreises schnitt sie hervorragend ab: Vielfalt, Unterricht, Verantwortung, Schulleben und Schulentwicklung. Die 14-köpfige Jury entschied deshalb einstimmig: Die Georg-Lichtenberg-Gesamtschule bekommt den Hauptpreis 2011. Sie ist die beste Schule Deutschlands.

Burak kam mit einer Hauptschulempfehlung in die fünfte Klasse der IGS. Da hatte er schon einmal eine Klasse wiederholt. "Ich hatte das Gefühl: Aus mir wird nichts. Die anderen in der Klasse waren für mich lauter Streber. Im Unterricht habe ich viel Mist gebaut." Aber die Lehrer bestraften ihn nicht, sondern fragten: Warum machst du das? "Sie haben mir klar gemacht: Du kannst etwas erreichen", erzählt Burak, der heute in die zwölfte Klasse geht. Nach seinem Abitur will der 18-Jährige an die Uni gehen und studieren. Sein Berufsziel: Lehrer für Biologie und Deutsch.
Trotz Hauptschulempfehlung zum Abitur

In der Oberstufe der IGS trifft man viele Schüler wie Burak, denen die Lehrer in der Grundschule das Abitur nicht zugetraut haben. Die Lehrer schaffen es nicht nur, keinen Schüler zu verlieren, sie spornen sie auch zu Höchstleistungen an. 2010 machte die beste Abiturientin Niedersachsens mit einem Schnitt von 0,7 hier ihr Abitur, jeder vierte Schüler hatte eine Eins vor dem Komma bei seinem Abschlusszeugnis.

Das gelingt den Lehrern durch eine ganz besondere Lernform: den "Tischgruppen". Je sechs Schüler bilden so ein Lernteam. Im Klassenzimmer der 9.3. stehen die Schulbänke zu Sechsertischen angeordnet wie in der Grundschule. Die insgesamt 30 Schüler bilden fünf "TGs". Die Tischgruppen bringen die zusammen, die in Deutschland sonst möglichst früh streng getrennt werden: Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten. Sie lernen hier gemeinsam.

Finn sitzt neben der ernsthaften Gretje. "Ich bin manchmal ein bisschen faul, sie gibt mir Anstoß", sagt der 15-Jährige aus der 9.3. Das gilt aber auch umgekehrt: "Er kann sehr gut logisch denken, wenn er sich anstrengt", sagt Gretje. Sie gehört mit einem Notenschnitt von 1,5 zu den Klassenbesten.

"So einen Unterricht habe ich noch nicht erlebt"
Melissa, genannt "Melle", teilt sich die Bank mit dem stillen Maurice. "Weil er besser Mathe kann als ich." Von der Grundschule bekam Melissa nur eine Empfehlung für die Hauptschule. An der IGS hat sie sich so weit gesteigert, dass sie im nächsten Jahr einen guten Realschulabschluss schaffen wird. Annas Nachbarin Mehtap trägt ein Halstuch mit Leoparden-Muster, eine kunstvoll zerrissene schwarze Leggings und Nietengürtel. "Vorher hatten wir nicht viel miteinander zu tun", gibt Anna mit den Perlohrringen zu, "aber ich mag sie und wir können gut zusammen arbeiten."

"So einen Unterricht habe ich noch nicht erlebt", sagt Hans Anand Pant Direktor des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Der Professor ist Mitglied der Schulpreis-Jury und hat die Gesamtschule zwei Tage lang inspiziert. "Die Schüler werden ständig angehalten ihre Lernergebnisse zu präsentieren. Die Tischgruppen sind toll." Wolfgang Vogelsaenger, Schulleiter der IGS sagt: "In der Tischgruppe sitzt der zukünftige Maurer neben dem späteren Architekten. Wenn sie bei uns gelernt haben, miteinander zu sprechen und zu arbeiten, dann schaffen die das auch als Erwachsene."

Der Schulpreis wird die letzten Zweifler überzeugen
Der 59-Jährige leitet die IGS seit neun Jahren. Vor 35 Jahren wurde die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule von Wissenschaftlern, Lehrern, Eltern, Politikern und Architekten als Gegenmodell zum klassischen dreigliedrigen Schulsystem entwickelt. Heute kämpft Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger um ausreichende Lehrerstellen. Und er fordert die Erhaltung von G9. In Niedersachsen sollen auch die Gesamtschulen die Zeit bis zum Abitur wie die Gymnasien um ein Jahr kürzen (G8). "Andere Schulen können von der IGS lernen: Es braucht eine Vision", sagt Gisela Schultebraucks-Burghardt von der Schulpreis-Jury. "Die Lehrer brennen immer noch für ihre Schule. Das lässt sich nicht von oben verordnen."

Josephine wechselte vor einem Jahr an die IGS; die 17-Jährige hielt den Druck am G8-Gymnasium nicht mehr aus. "An meiner alten Schule herrschte eine Ellbogen-Gesellschaft. Hier ist es ganz anders. Meine neuen Klassenkameraden kommen auf mich zu, um mir zu helfen." Bevor Josephine sich entschied, vom Gymnasium an die Gesamtschule zu wechseln überlegte sie gründlich: "Habe ich später vielleicht Nachteile, weil ich mein Abitur hier gemacht habe?" In konservativen Göttinger Kreisen stand die Abkürzung IGS lange für "Idioten Gesamtschule". "Aber wichtig ist doch, dass ich mich wohlfühle", sagt Josephine. Der Schulpreis wird nun auch die letzten Zweifler überzeugen: Die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen ist eine ausgezeichnete Schule.

Quelle: www.stern.de 10.06.2011, 14:56 h

 
 

WebsoziCMS 3.9.9 - 948992 -

WebsoziInfo-News

04.05.2024 21:14 Helge Lindh zum Tag der Pressefreiheit
Pressefreiheit unter Druck Die Pressefreiheit ist ein wichtiger Baustein unserer Demokratie. Der internationale Tag der Pressefreiheit macht auf die aktuellen Missstände und Bedrohung auf unabhängigem Journalismus weltweit aufmerksam. Auch hierzulande müssen wir Pressevertreter:innen wirksam schützen, sagt Helge Lindh. „Die freie Berichterstattung ist ein Eckpfeiler unserer Demokratie und ein unveräußerliches Grundrecht – nicht nur am Tag… Helge Lindh zum Tag der Pressefreiheit weiterlesen

25.04.2024 07:25 Präsentation der Europawahl-Kampagne mit Katarina Barley und Kevin Kühnert
Die Spitzenkandidatin Katarina Barley stellt gemeinsam mit Generalsekretär Kevin Kühnert die Europawahl-Kampagne der SPD vor. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten stehen die Plakatmotive im Fokus der Kampagnenpräsentation. Die Präsentation findet statt am Donnerstag, den 25. April 2024 ab 14:30 Uhr Sei Live dabei: https://www.youtube.com/watch?v=RKixH1Am-GA

24.04.2024 16:26 Landwirtschaft in der EU: Kein Ausverkauf von Umweltschutz
Das EU-Parlament hat heute mehrheitlich dem Kommissionsvorschlag zugestimmt, Umweltmindeststandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik erheblich abzuschwächen. Das hat auch auf die deutsche Agrarlandschaft einen unmittelbaren Einfluss. „Die konservativen und rechtsextremen Parteien im EU-Parlament haben heute im Hauruckverfahren wesentliche Umweltaspekte der Gemeinsamen Agrarpolitik aufgeweicht, für deren Etablierung es jahrzehntelange parlamentarische Prozesse und Folgeabschätzungen gebraucht hatte. Seit Jahresbeginn… Landwirtschaft in der EU: Kein Ausverkauf von Umweltschutz weiterlesen

17.04.2024 18:16 Rolf Mützenich zur China-Reise des Bundeskanzlers
China-Reise des Bundeskanzlers: Wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender: Erneut hat ein direktes Gespräch des Bundeskanzlers mit Präsident Xi wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie im Krieg in der Ukraine geben können. Nicht umsonst ist die Reise des Bundeskanzlers vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj sehr positiv bewertet worden. „Erneut hat ein direktes Gespräch… Rolf Mützenich zur China-Reise des Bundeskanzlers weiterlesen

16.04.2024 15:10 Bernd Westphal im Podcast zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland
“Wir werden nicht das Streichkonzert im sozialen Bereich machen. Ganz im Gegenteil” In der aktuellen Folge des Podcasts „Lage der Fraktion“ ist Bernd Westphal zu Gast, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er erklärt, warum die wirtschaftliche Lage besser ist, als viele sagen; dass die Kritik der Wirtschaftsverbände an der Bundesregierung unangemessen ist, und, wieso die… Bernd Westphal im Podcast zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland weiterlesen

Ein Service von info.websozis.de

 

Counter

Besucher:948993
Heute:31
Online:1
 

WebSozis

Soziserver - Webhosting von Sozis für Sozis WebSozis